Es darf darüber spekuliert werden, warum bei den zukünftigen Hundeführen gerade die Leichtführigkeit eine immer größere Rolle spielt. Auch der Jagdhund ist in der heutigen Zeit kein reiner „Gebrauchsgegenstand“ mehr. Die züchterischen Einflüsse hin zu einem ausgeglichenen, familienfreundlichen Wesen haben nicht zuletzt dazu geführt, dass in Deutschland gezüchtete Jagdhunderassen auch bei Nichtjägern sehr beliebt sind – zum Verdruss vieler Zuchtverbände. Aber dieser Parameter gilt sowohl für Rüden wie für Hündinnen. Wahrscheinlich spielt bei den mehr als 300.000 Jägern in Deutschland heute auch der Zeitfaktor eine wesentliche Rolle. Der zukünftige Jagdhund ist Teil der Freizeitaktivität seines Führers und somit ist auch seine Ausbildung für die meisten nur zwischen Beruf und Familie machbar. Mit der Vorgabe „Mein Hund muss ja kein Profi werden“ wird oftmals der Weg des geringsten Widerstandes gesucht – der Aberglaube, eine Hündin sei leichtführiger, wird dann schnell kaufentscheidend.
Wer sich für ein ,,Weibchen“ entscheidet, muss auch mit den Gefühlsschwankungen der “Diven“ leben. Zweimal im Jahr werden sie normalerweise läufig. Dabei kann es schon in der Vorhitze (Proötrus), die zwischen einer und zwei Wochen dauert, zu Problemen kommen. Nicht nur, dass sich das Wesen verändern kann, in dieser Zeit scheidet sie bereits Sekret aus, das die männlichen Vierläufer anlockt. Hausbesuche aus der Nachbarschaft sind dann tägliches Brot und auch auf den Jagden sind die Rüden nicht mehr nur hinter Hase und Kanin her. Eine unangenehme Situation: also muss die Hündin zu Hause bleiben, obwohl sie jagdlich keine schlechtere Leistung bringen würde.
Als Hundeführer kann man also damit rechnen, dass eine Hündin zweimal im Jahr für etwa fünf bis sechs Wochen „ausfällt“. Muss aber nicht so sein, denn je nach Hündin fällt die Hitze unterschiedlich stark aus. Wie gravierend dies ist, muss aber jeder Hundeführer für sich entscheiden, je nachdem wie intensiv er seine Hündin zur Jagd einsetzt. Für die meisten ist oft nur die Hitze im Herbst von Bedeutung.
Hormonbehandlungen, die eine Läufigkeit unterdrücken, können mit einer Reihe an Begleiterscheinungen wie Haar-, Haut- oder sogar Gebärmutterveränderungen einhergehen. Viele neigen daher dazu, ihre Hündin kastrieren zulassen. Damit ist das Problem der Hitze zwar gelöst, wobei auch hier Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen sind. Nach einer Untersuchung neigen etwa 20% nach einer Kastration dazu, aufmerksamer oder auch verspielter zu sein (Heidenberger). Zirka ein Drittel zeigte sich dagegen eher territorial und aggressiv. Was sich bei der Hündin nach der Kastration durchsetzt oder ob keine Veränderung eintritt, kann niemand vorhersagen.
Bei der Entscheidung zwischen Rüde oder Hündin, spielt vordergründig nicht allein das Wesen eine Rolle. Eine nicht geringe Zahl von Zweibeinern argumentiert, dass beispielsweise der „Vater immer schon Rüden gehabt habe“ und damit immer gut gefahren sei. Also greifen Sohn oder Tochter in vermeintlich bewährter Familientradition zu dem jeweiligen Geschlecht, ohne sich Gedanken zu machen, warum der Vorfahre so gut mit Hündinnen bzw. Rüden zurechtkam. Oftmals genügt es dann schon zu fragen, ob die drei, vier oder fünf Hunde die der Vater geführt hat, denn alle gleich gewesen sind. „Oh nein, die hätten nicht unterschiedlicher sein können“, wird sofort in Erinnerung geschwelgt.
Einer ähnlichen Fehleinschätzung unterlaufen Menschen, die sich Einzelbeispiele für „gute Hunde“ aus ihrem Bekanntenkreis heranziehen. Ist ein spezieller Hund auf der Jagd richtig gut gelaufen, heißt es dann: „So einen will ich auch haben!“ Damit ist die Entscheidung für Rasse und Geschlecht gefallen. Wie viel Arbeit der Hundeführer in diesen einen Hund – Rüde oder Hündin – investiert hat, wird außer Acht gelassen. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit größer, bei einem anerkannten Züchter aus einer Linie ähnlich wesensfeste und jagdlich gute Hunde zu bekommen. Aber es ist eine rechnerische Größe, dass etwa Ängstlichkeit oder auch Aggressivität vererblich sind. Allerdings gibt es keine wissenschaftliche Untersuchung, dass das eine Merkmal (Ängstlichkeit) nur auf Töchter und das andere (Aggressivität) nur auf die Söhne weitergegeben wird.
Einen Unterschied hinsichtlich der jagdlichen Eignung zwischen Rüde oder Hündin ist gerade bei den großen Vorstehhunderassen nicht auszumachen. Ob Drahthaarrüde oder- hündin, beide sind von der körperlichen Ausstattung problemlos in der Lage, einen Fuchs zu apportieren. Bei den mittelgroßen Hunden wie dem Kleinen Münsterländer ist man eher geneigt, den „leichten“ Hündinnen, die sich auch noch an der Stockmaß-Untergrenze bewegen, weniger zuzutrauen. Langjährige Führer wissen aber, dass mangelnde körperliche Größe oft mit großer Passion und unermüdlichem Bringwillen ausgeglichen wird. Letztlich ist Rasse, Farbe, Geschlecht und damit auch Größe des Hundes oft eine Frage des Geschmacks. Wer lieber eine zierliche Hündin führt als einen groben Rüden, dem muss dies genauso überlassen werden, wie die „Drahthaar-Frage“, ob ich lieber einen Braun- oder Schwarzschimmel am Strick habe.
Ob man nun aus der Entscheidung für einen Rüden oder eine Hündin eine Gretchenfrage machen muss, sollten angehende Welpenbesitzer für sich entscheiden. Die landläufige Meinung, dass Hündinnen leichtführiger seien oder Rüden wildschärfer, kann kaum ein Züchter guten Gewissens bejahen. Das Individuum, für das sich der Jäger über einen nicht zu knappen Lebensabschnitt entscheidet, sollte vor allem zu seinem eigenen Wesen passen. So ist es ratsam, sich als Interessent vielleicht nicht unbedingt auf das Geschlecht zu versteifen, sondern sich öfter im Welpenauslauf umzuschauen. Welcher ist kernig, wer ist als erster am Futternapf oder wie verspielt ist der einzelne Hund. Dabei sollte der Welpenanwärter kritischen Fragen des Züchters im Hinblick auf Einsatzzweck des Hundes und jagdkynologischer Erfahrung der eigenen Person nicht ablehnend gegenüberstehen. Ein seriöser Züchter versucht damit herauszufinden, welcher am besten zu einem passt – egal ob Rüde oder Hündin.
Winfried Edelmann